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Weitere Risiken

Darüber hinaus gibt es noch weitere Risiken die beim Umgang mit Substraten beachtet werden müssen.

Maschinen-Störstoffe


Bei der Torfgewinnung können sogenannte Moorholzstücke oder rezente Wurzeln von moortypischen Pflanzen (Ericaceae) mitaufgenommen werden, da sie natürlich in Torflagerstätten vorkommen. Bei den üblichen Absiebungs- und Fraktionierungsvorgängen bei der Torfverarbeitung werden solche Bestandteile sorgfältig abgesiebt. Es kann jedoch vorkommen, dass trotz Absiebung Holzteile mitverarbeitet werden. Bei der maschinellen Verarbeitung von Substratlieferungen, die Holzstücke enthalten, kann es zu Störungen an Topf-, Presstopfmaschinen oder automatischen Füllanlagen für Multiplatten kommen. Gleiches gilt, wenn Holzstücke in anderen Ausgangsstoffen vorkommen.

Rohtorfe enthalten unterschiedliche Volumenanteile des Wollgrases (Eriophorum), die entsprechend dem Einsatzgebiet abgesiebt werden. Das vertorfte Wollgras ist faserig. Störend wirken faserhaltige Substrate nur, wenn sie nicht dem Einsatzgebiet entsprechen.
Mit dem Ausgangsstoff eingeschleppte Steine, Drähte, Kunststoff oder Ähnliches sind ebenfalls Störstoffe, die zu erheblichen Schäden an Maschinen führen können.

Gasförmige pflanzenschädigende Stoffe


Gasförmige Emissionen von schädlichen oder toxischen Verbindungen kommen in Kultursubstraten und Blumenerden sehr selten vor. Risiken solcher flüchtigen, potentiell pflanzenschädigenden Stoffe können sich während der Kompostierung oder Lagerung organischer Ausgangsstoffe und Fertigsubstrate entwickeln. Mit dem Kressetest prüft man auf gasförmige Schadstoffe, die aus dem Substrat entweichen.

Anaerobe Verhältnisse in verdichteten Substraten


Verpackte, palettierte Sack- oder Ballenware, aber vor allem Großballen können erhebliche mikrobiologische und dadurch bedingte chemische Veränderungen erfahren, wenn das Substrat nicht umgehend verbraucht wird. Diese Beobachtungen treffen insbesondere auf stark zersetzten Torf zu. Ware, die falsch gelagert der Sonneneinstrahlung bei hochsommerlichen Temperaturen direkt ausgesetzt ist, kann sich stark erwärmen. Temperaturen von 60 °C und mehr können im Bereich der Verpackungsfolie erreicht werden.

Der Wärme- und Gasaustausch des ohnehin verhältnismäßig luftarmen Schwarztorfes ist gering und wird durch den üblichen Feuchtigkeitsgehalt um 70 % (m/m) und darüber weiter gemindert. 70-l-Gebinde werden vor dem Palettieren gebügelt und dadurch verdichtet, auf Paletten gestapelt und mit Hauben- oder Stretch-Folien abgedeckt. Substrate in Ballen oder Großballen unterliegen beim Pressen starken Luftverlusten, wodurch fast anaerobe (sauerstofffreie) Verhältnisse entstehen können. Anaerobität führt zwangsläufig zu Veränderungen der Mikroflora im verdichteten Substrat. Anaerobe Bakterien vermehren sich in diesem sehr feuchten, sauerstoffarmen und warmen Milieu überproportional. Folgen sind mikrobielle Umsetzungsprozesse wie Denitrifikation, Desulfurikation und Gärprozesse, die sich zum Teil erheblich auf die Substratqualität auswirken können.

Denitrifikation

Denitrifikation (Nitratveratmung) ist ein mikrobieller Umsetzungsprozess (Reduktion), bei dem Nitrat (NO3-) über Nitrit (NO2-) zu gasförmigen Stickoxiden (NO, N2O) und molekularem Stickstoff (N2) umgewandelt wird(1) . Denitrifikation findet vor allem bei hohen Feuchtigkeitsgehalten im Substrat und schlechter Durchlüftung statt. Das im Substratdünger enthaltene Nitrat ist eine weitere Voraussetzung für diesen Umsetzungsprozess.

Denitrifizierende Bakterien wie Pseudomonas, Alcaligenes und Achromobacter kommen autochthon und ubiquitär in Böden, Torfen und allen anderen organischen Substratausgangsstoffen vor und werden bei Sauerstoffmangel und hohen Feuchtigkeitsgehalten verstärkt aktiv. Denitrifikation kann durch Substratanalysen, die die Abnahme der NO3-Konzentration zeigen, belegt werden. Nitratstickstoff kann unter den beschriebenen Bedingungen in besonders betroffenen Bereichen in dem verpackten Substrat innerhalb von wenigen Wochen ganz veratmet sein. N steht der Pflanze dann nur noch als NH4-N zur Verfügung. In der Kultur führen solche chemischen Substratveränderungen zu ungleichmäßigem Pflanzenwachstum, Minderwuchs und Pflanzenschäden.

Nach Untersuchungen von AGNER(2) kann Denitrifikation auch während der Kultur von Topfpflanzen eintreten. Neben Luftmangel und hohen Feuchtigkeitsgehalten im Topf führt sie folgende Kriterien auf, die die Denitrifikation fördern:

  • hohe Topffestigkeit
  • lange Anstaudauer, übermäßiger Niederschlag
  • langsames Abtrocknen des Substrats nach Bewässerung
  • hohe Temperatur
  • leicht abbaubare Kohlenstoffverbindungen im Substrat

Desulfurikation

Anaerobe Verhältnisse können auch zu Desulfurikation (Schwefelveratmung) führen. Dabei wird durch sulfatreduzierende (SO4) Bakterien wie Desulfomonas und Desulfobacterium das im Dünger enthaltene Sulfat zu Sulfid umgewandelt. Es wird dabei der nach faulen Eiern riechende Schwefelwasserstoff (H2S) freigesetzt, der eindeutig als Indikator für Anaerobizität im verpackten Material dient. Nach Auflockerung/Belüftung des Substrats verfliegt der Geruch und das Substrat kann problemlos verwendet werden.

Gärung

Gärprozesse, verursacht durch Sauerstoffmangel in der verpackten Ware, kommen selten vor. Gärung ist der mikrobielle Abbau von organischer Masse und häufig mit der Bildung geruchsintensiver Gase verbunden. Solche Gerüche kommen auch bei der Kompostierung vor. Gärende Substrate können beim Öffnen der Substratverpackung wahrgenommen werden. Nach Auflockerung/Belüftung des Substrats verfliegt der Geruch und das Substrat kann problemlos verwendet werden.

Radioaktivität


Erstmals hat man sich 1986 nach dem Atomreaktorunfall in Tschernobyl ernsthaft mit der Möglichkeit der Kontamination von Substraten durch Radioaktivität befasst.
Die EU-Verordnungen 737/90/EWG(3) und 598/92/EWG(4) legen maximale Radioaktivitätswerte in Nahrungsmitteln auf 370 Bq/kg für die langlebigen Radionuklide 134Cs und 137Cs für Milch, Milchprodukte und Babynahrung fest. Für Nahrungsmittel und Getränke beträgt der Wert 600 Bq/kg.

Da Torf großflächig abgebaut wird, lag die Vermutung nahe, dass Rohtorfe aus betroffenen Gebieten am ehesten Strahlung aufweisen würden. Radioaktivitätsmessungen an Torfproben, die aus dem In- und Ausland gesammelt wurden, ergaben durchweg Werte von < 60 Bq/kg Torf, die demnach weit unter den zulässigen Werten für Milchprodukte und Babynahrung lagen. Die Strahlenbelastung von Torfprodukten kann somit als völlig unbedenklich und risikolos angesehen werden. In den letzten 15 Jahren wurden Radioaktivitätsmessungen an Torfen in Ausnahmefällen vorgenommen, stets mit negativem, unbedenklichem Ergebnis. Die niederländische Stiftung RHP hat seinerzeit die allgemeine Produktanforderung aufgestellt, dass zertifizierte Ausgangsstoffe nicht radioaktiv verseucht sein dürfen; ein Grenzwert von 370 Bq/kg (134Cs + 137Cs) durfte nicht überschritten werden(5) . Eine solche Anforderung besteht heute nicht mehr.

Fehlanwendungen und -handhabungen


Viele Gefährdungen und Risiken können vermieden werden, wenn das Substrat möglichst zeitnah nach der Herstellung Verwendung findet. Bei überlagerter Ware ist zumindest eine chemische Grunduntersuchung des Substrats ratsam. Der Anwender sollte immer die Produktinformationen, Hersteller- und Anwendungshinweise auf der Verpackung oder in den Begleitdokumenten beachten und befolgen. Fehlanwendungen oder falsche Handhabung eines Substrats können eine Gefährdung der Sicherheit der Kultur, des Menschen oder der Umwelt darstellen. Gravierende Kulturausfälle sind zu erwarten, wenn die chemischen und/oder physikalischen Eigenschaften eines Substrats nicht auf die Kultur, die Kulturführung, das Klima oder andere Faktoren genau abgestimmt sind.

Obwohl jedes Substrat bestimmte auf den Anwendungszweck abgestimmte Ausgangseigenschaften hat, kann die nicht sachgemäße Anwendung negative Auswirkungen auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften in der Kultur haben, die dann nicht mehr mit den gekennzeichneten Eigenschaften übereinstimmen. Beispielsweise hat Festigkeit beim Topfvorgang einen solchen Einfluss: Wird das Substrat zu fest vertopft, dann ist im Topf wahrscheinlich

  • die Luftkapazität unzureichend,
  • der Feuchtigkeitsgehalt nach Gießvorgängen zu hoch (Wasser dräniert schlecht),
  • der Gehalt an Nährstoffen zu Kulturbeginn höher als gewollt,
  • die benötigte Substratmenge höher als kalkuliert,
  • die Gefahr des Absterbens der Wurzeln durch Vernässung höher und
  • eine Gefährdung durch bodenbürtige Krankheiten durch Vernässung höher.


Eine Fehlanwendung kann auch die Folge einer Falschbestellung sein. Die Über- oder Unterdosierung von Substratzusätzen wie Düngemitteln, Kalken oder Tensiden führt dann fast zwangsläufig zu Pflanzenausfällen. Bei überlagerter Ware ist zumindest eine chemische Grunduntersuchung des Substrats vor der Verwendung ratsam.

Vermeiden von Risiken und Problemen im Gartenbaubetrieb


Um Risiken und Gefährdungen in der Kultur zu vermeiden, sind nachfolgend einige wesentliche Punkte aufgeführt, die von den oben erläuterten Inhalten abgeleitet werden können:

  1. Kultursubstrate sind wie Gießwasser oder Düngemittel wichtige Betriebsmittel. Der Gärtner sollte daher möglichst umfassend über wesentliche Aspekte des für seine Kultur und seine Kulturbedingungen benötigten Substrats informiert sein. Dazu gehört die Kenntnis über die Substratausgangsstoffe und -zusätze sowie deren Funktion und Auswirkungen auf die Kultur.
  2. Kultursubstrate sollten immer nur von vertrauenswürdigen Lieferanten bezogen werden. Billigerden sollten im Produktionsgartenbau nicht eingesetzt werden, da Minderqualitäten nicht auszuschließen sind.
  3. Substratbestellungen sollten immer schriftlich unter Angabe der genauen Substratbezeichnung vorgenommen werden. Bei Sondermischungen ist die genaue Zusammensetzung anzugeben. Mündliche Absprachen mit dem Hersteller/Lieferanten sind bei Reklamationen nicht beweisbar.
  4. Bei der Substratlieferung sollte der Besteller immer die entsprechenden Lieferdokumente mit dem bestellten bzw. gelieferten Substrat vergleichen. Dazu gehört im Rahmen der Wareneingangskontrolle die Sichtprüfung der Zusammensetzung des Substrats. Bei offensichtlichen Abweichungen oder Produktmängeln ist der Hersteller umgehend telefonisch und schriftlich zu informieren und das Substrat zu reklamieren.
  5. Wie der Substratproduzent sollte der Gärtner immer repräsentative Rückstellproben von jeder Lieferung nehmen – möglichst im Beisein des Lkw-Fahrers oder anderer Zeugen. Hierfür eignen sich auch nicht geöffnete Fertigpackungen (z. B. Sackware) als Rückstellmuster, die codierte Herstellungsangaben enthalten. Dabei ist zu bedenken, dass kleine Proben (ca. 5 Liter) meist nur chemische Analysen ermöglichen; mit großen Rückstellproben (mindestens 20 Liter) können zusätzlich Keimpflanzentests oder auch physikalische Untersuchungen durchgeführt werden. Für Kulturpflanzenversuche sind mindestens 70 Liter erforderlich.
  6. Rückstellproben sind immer kühl (am besten bei +4 °C) zu lagern, um chemische/biologische Substratveränderungen zu minimieren.
  7. Da auch der Kunde gesetzlich verpflichtet ist, für geeignete Maßnahmen zur Gefahrabwendung zu sorgen, darf der Gärtner ein fehlerhaftes Substrat nicht verwenden.
  8. Kultursätze müssen den jeweiligen Substratlieferungen zugeordnet werden können, was der Beweissicherung im Reklamationsfall dient. Dazu ist die genaue Aufzeichnung aller Kultursätze mit den entsprechenden Kulturstandorten und -behandlungen (z. B. mit Pflanzenschutzmitteln, Düngungsmaßnahmen) erforderlich.
  9. Wird erst während der Kultur erkannt, dass ein Substrat fehlerhaft ist, so ist der Hersteller umgehend darüber zu informieren, um weiteren Schaden zu minimieren oder andere geeignete Maßnahmen abzustimmen.
  10. Fotos sind für die Dokumentation des Kulturschadens unerlässlich.
  11. Gegebenenfalls ist ein Substratsachverständiger einzuschalten.


(1) BLUME, H.-P., BRÜMMER, G.W., HORN, R., KANDELER, E., KÖGEL-KNABNER, I., KRETZSCHMAR, R., STAHR, K. & WILKE, B.-M. (2010): Scheffer/Schachtschabel: Lehrbuch der Bodenkunde. 16. Auflage, Nachdruck 2013; Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg.
(2) AGNER, H. (2003): Denitrification in cultures of potted ornamental plants. Dissertation im Fachbereich Gartenbau der Universität Hannover.
(3) EU-KOMMISSION (1990): EU VERORDNUNG 737/90/EWG: Zu den Bedingungen für die Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten aus Drittländern nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl. Amtsblatt Nr. L. 82, 29/3/1990 S. 1.
(4) EU-KOMMISSION (1992): EU VERORDNUNG 598/92/EWG: Aufstellung einer Liste von Produkten, die von der Anwendung der Verordnung 737/90/EWG ausgenommen sind. Amtsblatt Nr. L. 64, 10/03/1992 S. 15.
(5) STICHTING RHP & ECAS B. V. - EUROPÄISCHE ZERTIFIZIERUNGSSTELLE FÜR DEN AGRARSEKTOR (1999): Pro-duktzertifizierungsschema RHP-Gütezeichen, 1-65.