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Kultursubstrate und Blumenerden

Der Begriff Substrat (lat. sub: unten, stratum: Schicht ≈ untere Schicht) wird je nach Fachgebiet für die Bezeichnung der verschiedensten Dinge benutzt. So ist ein Substrat beispielsweise in den Geowissenschaften das Ausgangsmaterial für die Bodenbildung; in der Ökologie ist ein Substrat das Material, auf dem ein Organismus lebt; in der Mikrobiologie ist es das Nährmedium für in vitro vermehrte Pflanzen usw. Im gartenbaulichen Bereich, speziell in der Pflanzenkultur, spricht man von Kultursubstrat, häufig abgekürzt mit ‚Substrat‘. Vielfach wird der Begriff ‚gärtnerische Erden‘ oder kurz ‚Erden‘ als Synonym für Kultursubstrate verwendet. Dieser Begriff geht auf Eigenmischungen zurück, die der Gärtner früher selbst mischte und es teilweise auch heute tut. Zudem deutet der Begriff ‚Erde‘ auf den erdähnlichen Charakter des Materials hin. Allerdings gehören inzwischen viele nicht erdähnliche Materialien zu den Kultursubstraten oder deren Ausgangsstoffen, wie Mineralwolle, Blähperlit, Blähton und andere. Im In- und Ausland gibt es viele Definitionen für Kultursubstrate/Blumenerden, die bestimmte Produkte einschließen, ausschließen oder unzureichend von anderen abgrenzen. Nachfolgend einige Beispiele aus Deutschland:
  1. Im DIN-Fachbericht 83 (DIN 1999) steht die Definition für Kultursubstrate, auf die man sich auf europäischer Ebene im Technischen Komitee 223 ‚Bodenverbesserungsmittel und Kultursubstrate‘ des Europäischen Komitees für Standardisierung geeinigt hat: „Material, außer Boden in situ, in dem Pflanzen kultiviert werden“. Blumenerden sind hierbei auch abgedeckt, Dachsubstrate hat man seinerzeit nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Erarbeitung einer harmonisierten EU-Düngemittelverordnung hat die EU-Kommission diese Definition in ihren Ent-wurf aufgenommen. Dach- und Baumsubstrate zur Verwendung im oder auf dem Boden sind dabei in die Definition einge-schlossen.
  2. Nach deutschem Düngegesetz (BMELV 2009) sind Kultursubstrate „Stoffe, die dazu bestimmt sind, Nutzpflanzen als Wurzelraum zu dienen, und die dazu in Böden eingebracht, auf Böden aufgebracht oder in bodenunabhängigen Anwendungen genutzt werden“. Nach dieser Definition gehören sowohl Dachsubstrate als auch Baum- und andere Pflanzsubstrate, die in/auf den Boden gebracht werden, zu den Kultursubstraten. Blumenerden sind gemäß Düngegesetz auch Kultursubstrate. FISCHER (2010) betont, dass diese Definition „nicht dem seit Jahrzehnten in der fachlichen Praxis üblichen Begriff entspricht, der sich immer auf die bodenunabhängige Anwendung bezog“.
  3. Gemäß dem Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen, kurz Pflanzenschutzgesetz (BMJ 2012) sind Kultursubstrate „Erden und andere Substrate in fester oder flüssiger Form, die Pflanzen als Wurzelraum dienen“.
  4. Die EU-KOMMISSION (2015) hat in ihrem Beschluss zur Vergabe des EU-Umweltzeichens folgende Definition aufgenommen: „Kultursubstrat: als Substrat für die Wurzelentwicklung verwendetes Material, in dem Pflanzen gezogen werden“. Dabei wird kein Unterschied zwischen bodenabhängiger oder bodenunabhängiger Nutzung gemacht. Auch ist der Begriff ‚gezogen‘ nicht eindeutig.
  5. Gemäß RAL-GZ 250/2 (RAL 2015) sind Kultursubstrate „im Allgemeinen Mischungen aus substratfähigen Ausgangsstoffen mit definierten pH-Werten und Nährstoffgehalten; sie dienen Pflanzen im Er-werbsgartenbau als Wurzelraum“. Diese Definition schließt Dachsubstrate, Baumsubstrate und Blumenerden aus, für die es nach RAL-GZ 250 spezifische Definitionen gibt.
  6. Gemäß RAL-GZ 250/3 (RAL 2015) sind Blumenerden „im Allgemeinen Mischungen aus substratfähigen Ausgangsstoffen mit definierten pH-Werten und Nährstoffgehalten; sie dienen Pflanzen als Wurzelraum. Die Anwendung erfolgt ausschließlich durch den privaten Endverbraucher (Hobbybereich)“. Diese Begriffsbestimmung ist fast identisch mit der RAL-Definition für Kultursubstrate. Der einzige Unterschied liegt in der Zweckbestimmung Erwerbsgartenbau respektive Hobbygartenbau.
  7. In diesem Buch werden sowohl Kultursubstrate, wie sie im Produktionsgartenbau Verwendung finden, als auch Blumenerden, die für das Hobbygartensegment hergestellt werden, besprochen. Grundsätzlich liegen dabei die Definitionen gemäß RAL-GZ 250 (RAL 2015) zugrunde. Auf Baumsubstrate und Dachsubstrate wird nur kurz eingegangen.
Grundsätzlich sind Betriebserden auch Kultursubstrate, da sie die gleiche Verwendung finden wie industriell hergestellte Produkte. Zudem können sie nach denselben Methoden wie Kultursubstrate und Blumenerden analysiert werden. Der Begriff ‚Substrat‘ wird nachfolgend häufig als Kurzform für Kultursubstrat und/oder Blumenerde verwendet.

Betriebserden/ Praxiserden


Aus der Landwirtschaft hat sich der Gartenbau entwickelt, in dessen Entwicklungsgeschichte der Mensch gelernt hat, nicht nur den gewachsenen Boden für den Anbau von gärtnerischen Kulturpflanzen zu nutzen, sondern selber Mischungen herzustellen, die den Bedürfnissen der Pflanzen entsprechen und zum schnelleren Kulturerfolg führen. Zum einen bestand der grundsätzliche Wunsch, sich vom gewachsenen Boden unabhängig zu machen, zum anderen gab es das Bedürfnis, Kulturpflanzen dort zu kultivieren, wo der Mensch den geeignetsten Standort sah – aus sozialen, wirtschaftlichen oder klimatischen Gründen. Dies trifft bereits für die Zeit der Antike zu, in der dem Boden entnommene Erde in Gefäße gefüllt wurde und diese bepflanzt wurden. Später stellte man Mischungen aus Boden, Lauberde, Nadelerde, Kompost, Stallmist, Sand und anderen Materialien her, die man lokal vorfand. Die heutigen Betriebs-/Praxiserden sind Gemische aus verschiedenen organischen, organisch-mineralischen oder mineralischen Ausgangsstoffen, die entweder im gärtnerischen Betrieb anfallen oder zugekauft werden. Hierbei sind betriebseigene Komposte oder zugekaufte Ausgangsstoffe wie Torf, Rindenhumus, Sand, Blähperlit und andere zu nennen. Somit können Betriebserden aus den gleichen Ausgangsstoffen wie industriell produzierte Kultursubstrate gemischt werden. Allerdings trägt der Gärtner die alleinige Verantwortung für das Gelingen oder Misslingen von Mischungen und damit für seinen Kulturerfolg. Grundsätzlich können solche Erden auch vom Hobbygärtner hergestellt werden (s. Kap. 7.1).

Industriell hergestellte Kultursubstrate und Blumenerden


Wurden noch bis in die 1960er-Jahre vornehmlich Betriebserden hergestellt, so produzierten danach zunehmend Substrathersteller Kultursubstrate für den Produktionsgartenbau und Blumenerden für den Hobbygartenbau. Betriebserden können in der Regel nicht die Produktionssicherheit geben, die heute für Kultursubstrate erforderlich ist. Das trifft umso mehr zu, je empfindlicher eine Kultur ist. Substratwerke beziehen ihre Ausgangsstoffe von zuverlässigen Lieferanten und aus qualitätsgesicherten Produktionsstätten. Ein Gartenbaubetrieb kann diese Anforderungen nur sicherstellen, wenn er ebenfalls qualitätsgesicherte Ausgangsstoffe bezieht, in der Lage ist, ebenso homogen zu mischen, und seine Betriebserde physikalisch, chemisch und biologisch im Griff hat. Bei industriell hergestellten Kultursubstraten trägt der Produzent das Produkthaftungsrisiko. Weitere Faktoren sprechen gegen die Verwendung von Betriebserden und für den Zukauf von Industriesubstraten. So müssen Personal, Mischvorrichtungen, Geräte und Maschinen, eine Laborgrundausstattung und nicht zuletzt die Kenntnis der Kulturanforderungen an das Substrat und wie diese mit bestimmen Mischungen erfüllt werden können, vorhanden sein.

Baumsubstrate


Baumsubstrate sind keine Substrate im Sinne von Kultursubstraten oder Blumenerden, in denen Bäume kultiviert werden. Es sind Substrate hauptsächlich auf der Basis mineralischer Ausgangsstoffe, die in Pflanzgruben für Bäume eingesetzt und für diesen Zweck spezifisch definiert werden.

Dachsubstrate


Gemäß der Gütesicherung RAL-GZ 250 (RAL 2015) werden vier Dachsubstrat-Typen unterschieden, deren Definitionen etwas umfangreicher sind und im RAL-GZ 250 nachgelesen werden können:
  • Dachsubstrate für Intensivbegrünung in einschichtiger bzw. mehrschichtiger Bauweise
  • Dachsubstrate für Extensivbegrünung in einschichtiger bzw. mehrschichtiger Bau-weise
Darin werden auch die von Kultursubstraten und Blumenerden abweichenden Anforderungsprofile bezüglich Gütemerkmalen und Analysemethoden deutlich. Die Dachbegrünungsrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landesentwicklung Landschaftsbau (FLL) geht sehr ausführlich auf Dachsubstrate ein.