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Zukünftige Entwicklungen

Die Zusammensetzung von Substraten befindet sich seit der Nutzung der ersten bodenunabhängigen Kultur von Bäumen in einfachen Trögen im Wandel. Dieser vor Jahrtausenden beginnende, aber wenig zielgerichtete Wandel hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante wissenschaftliche, industrielle und von der Praxis begleitete Entwicklung genommen. Festgestellt werden muss auch, dass Nichtregierungsorganisationen, Naturschutzverbände und nicht zuletzt die Politik erheblichen Einfluss auf diesen Wandel nehmen. Grundsätzlich ist das Zusammenwirken aller Anspruchsgruppen in unserer heutigen von nachhaltiger Entwicklung geprägten Gesellschaft sinnvoll und notwendig, um Konsens zu erzielen. Substratausgangsstoffe und aus ihnen hergestellte Substrate werden weiterhin an ihrer Funktionalität gemessen; ökologische und soziale Aspekte nehmen aber eine zunehmend wichtige Rolle ein.

Torf und andere Substratausgangsstoffe


„Die Substitution von Torfprodukten nimmt in der öffentlichen Diskussion einen breiten Raum ein…“(1) . Dieser Satz hat nach wie vor Gültigkeit. Jeder Substratausgangsstoff hat aus ökologischer, ökonomischer und sozialwirtschaftlicher Sicht bestimmte Vor- und Nachteile. An ihre Bewertung muss mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und gärtnerischem Sachverstand herangegangen werden. Im Rahmen dieser Publikation wird versucht, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften wesentlicher Ausgangsstoffe zu beleuchten sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Stoffe aufzuzeigen, die kaum oder gar nicht eingesetzt, aber immer wieder diskutiert werden. Auch eird versucht, die wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte bei der Wahl von Ausgangsstoffen zu erklären. Abbildung 57 fasst die Aspekte zusammen, die bei der Auswahl und Produktion von Kultursubstraten und Blumenerden berücksichtigt werden müssen.

Abbildung 57: Kriterien, die bei der Auswahl von Kultursubstraten und Substratausgangsstoffen berücksichtigt werden müssenVergrößerte Darstellung von: Abbildung 57: Kriterien, die bei der Auswahl von Kultursubstraten und Substratausgangsstoffen berücksichtigt werden müssen


Es gibt seit Jahren oder gar seit Jahrzehnten sowohl in Deutschland als auch in England, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und anderen Ländern anhaltende Diskussionen zum Thema Torf und den Einsatzmöglichkeiten von anderen Ausgangsstoffen. Jedes Ausgangsmaterial hat seine Berechtigung. Bei der Beurteilung von Ausgangsstoffen sollte unvoreingenommen und nach einheitlichen Kriterien vorgegangen werden. Objektivität ist hierfür eine Bedingung, die allerdings nicht zweifelsfrei gewährleistet ist, da die verschiedenen Anspruchsgruppen durchaus unterschiedliche Interessen vertreten und bestimmte Schwerpunkte bei ihrer Bewertung der verschiedenen Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung im Gartenbau und Substratsektor haben. Aus Sicht des Substratherstellers und -verwenders muss die Funktionalität des Substrats im Vordergrund stehen.

Die Politik der EU bestärkt den Gartenbau darin, ihre Produktqualität fortlaufend zu verbessern(2) . Die Substratwirtschaft und die von ihr abhängigen Bereiche des Produktionsgartenbaus sind auf flankierende Worte der EU-Kommission nicht angewiesen, um ein Höchstmaß an Kultursicherheit und Produktivität zu gewährleisten ̶ Kultursicherheit und Produktivität sind existenziell. Daher ist die Substratrezeptur, abgestimmt auf die Kultur und das Kulturverfahren, von so großer Bedeutung. Aus dem gleichen Grund dominiert Torf als Basis so vieler Rezepturen, der im Vergleich zu anderen Ausgangsstoffen in Bezug auf Eigenschaften, Verfügbarkeit und Preis Vorteile aufweist, den Substratmarkt. Es ist aber nach wie vor davon auszugehen, dass andere Ausgangsstoffe wie Kompost, Kokos und Holzfaserstoffe zunehmend eingesetzt werden, soweit sie zukünftig der stofflichen Verwertung zur Verfügung stehen und preislich tragbar sind.

Die meisten sogenannten Torfersatzstoffe werden in den meisten Applikationen nicht für sich zu verwerten sein und in vielen Bereichen auch miteinander vermischt nicht optimale Substrate darstellen, obwohl es solche torffreien Produkte längst gibt. Viele sind eher im Hobbybereich als im Profibereich zu verwenden. Torf wird künftig zunehmend als Trägermaterial für andere (vielleicht neue) Ausgangsstoffe geschätzt werden. Kokosmark ist ein Beispiel für die alleinige Verwendung eines organischen Nicht-Torf-Ausgangsstoffes, der in manchen Substraten zu 100 % eingesetzt wird.

Torf-Trends

Die deutsche und europäische Torf- und Substratwirtschaft steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen wie der Konkurrenz um Ressourcen, steigenden Kosten, anhaltender Steigerung der Produktivität, Wettbewerb im internationalen Markt, der Balance zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten (nachhaltige Entwicklung) und der Ungewissheit bei der Entwicklung regionaler, nationaler und europäischer Regelwerke. Auch wenn die Verwendung anderer Substratausgangsstoffe zunehmen wird, wird Torf wegen seiner qualitativen Eigenschaften, seiner länderübergreifenden Verfügbarkeit und der mangelnden Verfügbarkeit und/oder unzureichender Eignung anderer Materialien auf lange Zeit der wichtigste Substratausgangsstoff bleiben. Nicht nur die Substratwirtschaft ist von diesem Rohstoff und anderen Substratausgangsstoffen abhängig. Vorgelagerte Wirtschaftszweige wie die Düngemittelindustrie, der Maschinenbau, der Gewächshausbau und viele andere Zulieferbereiche sowie Logistikfirmen sind davon teilabhängig. Vollständig abhängig von Torf und daraus hergestellten Kultursubstraten sind die meisten Produktionsgartenbaubetriebe und zu einem großen Teil auch der Hobbygartenbau.

Abbildung 58: Entwicklung der gesicherten Torfrohstoffmengen in Niedersachsen, getrennt nach Weiß- und SchwarztorfVergrößerte Darstellung von: Abbildung 58: Entwicklung der gesicherten Torfrohstoffmengen in Niedersachsen, getrennt nach Weiß- und Schwarztorf
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SCHMATZLER(3) hat sehr genau die Entwicklung der Torfgewinnung in Niedersachsen aufgezeigt, wo 90 % der deutschen Torfgewinnung erfolgt. Ähnliche Prognosen hat bereits SCHNEEKLOTH(4) aufgestellt mit dem wichtigen Hinweis, dass die theoretisch verfügbaren Torfressourcen (unter landwirtschaftlichen Nutzflächen) noch erheblich sind – was auch heute noch der Fall ist.

Auch wenn im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte darüber hinausgehende Torfrohstoffmengen in Niedersachsen abgebaut werden dürfen, wird die inländische Torfproduktion langfristig auslaufen. Das ist von der deutschen Torf- und Substratwirtschaft früh erkannt worden, weshalb man sich intensiv um die Sicherung von Torfreserven im Baltikum gekümmert hat. Es wird sich in Deutschland eine Substratwirtschaft entwickeln, die – wie es seit langem schon in den Niederlanden oder in Italien der Fall ist (den zweit- und drittgrößten substratproduzierenden EU-Ländern) – ausschließlich auf Torfimporte sowie andere organische und mineralische Ausgangsstoffe aus in- und ausländischer Produktion angewiesen sein wird (Tabelle 71).

Tabelle 71: Entwicklung bei Kultursubstraten in DeutschlandVergrößerte Darstellung von: Tabelle 71: Entwicklung bei Kultursubstraten in Deutschland


Komposte, Holzfaserstoffe und Kokos

Diese drei Gruppen von Substratausgangsstoffen haben in den letzten 20 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind fester Bestandteil vieler Substratrezepturen. Dieser Trend ist bei Rindenhumus nicht mehr festzustellen. Ein bei Komposten seit Jahren zu beobachtender Trend ist die Eigenherstellung beim Substratproduzenten, um die Kompostqualität selbst steuern zu können und im Griff zu haben. Dieser Trend ist auch bei der Eigenherstellung von Holzfaserstoffen im In- und Ausland zu beobachten. Als nachwachsender Rohstoff wird der Rohstoff Holz bei der Substratherstellung eine weiter zunehmende Bedeutung erlangen. Holz ist in den verschiedensten Aufbereitungsstufen verfügbar, unterliegt aber dem Preisdruck des Energiemarktes. Manche Substrathersteller gehen Kooperationen mit Produzenten von Kokosprodukten ein, um Mengen und Qualitäten dieser Produkte sicherzustellen. Neben Torf lässt sich Kokosmark in manchen Einsatzbereichen ohne Mitverwendung anderer Ausgangsstoffe verwenden. Die Verfügbarkeit von Kokos kann durch lang anhaltenden Monsun-Niederschlag beeinträchtigt werden.

Abbildung 59: Ausgangsstoffe für die Herstellung von Kultursubstraten und Blumenerden. Die Graphik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.Vergrößerte Darstellung von: Abbildung 59: Ausgangsstoffe für die Herstellung von Kultursubstraten und Blumenerden. Die Graphik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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Torfmooskultivierung

Vor allem in Deutschland und Kanada, aber auch in anderen Ländern wird die Torfmooskultivierung seit einigen Jahren erforscht. Torfmooskultivierung ist eine Form der Paludikultur (lateinisch: palus = Sumpf, Morast) und ist die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hochmoorflächen. Am besten eignen sich ehemalige Torfabbauflächen mit Resttorfmächtigkeiten an schwach bis mäßig zersetztem Torf (Weißtorf), wie man sie in Kanada vorfindet. In Deutschland kommen nur landwirtschaftlich vorgenutzte Flächen (degradierte Moorstandorte) mit Resttorfmächtigkeiten an Weißtorf oder ehemalige Torfabbauflächen mit den üblichen Resttorfmächtigkeiten in Frage. Die Resttorfschicht (50 cm) besteht aus stark zersetztem Torf (Schwarztorf) und eignet sich aufgrund der geringeren Wasserleitfähigkeit weniger gut für die Torfmooskultivierung als eine Weißtorf-Restauflage.

GAUDIG et al.(6) geben einen guten Überblick über die bisher in verschiedenen Forschungsprojekten gesammelten Erfahrungen zur Torfmooskultivierung. Sie gehen davon aus, dass 145.000 ha Moorgrünland in Niedersachsen (die sich fast ausschließlich in Privatbesitz von Landwirten befinden) für die Torfmooskultivierung zur Verfügung stehen könnten. Diese Annahme ist Theorie und aus Sicht der Landwirte, die diese Flächen besitzen und auch zukünftig konventionell landwirtschaftlich nutzen wollen, praktisch nur sehr begrenzt umsetzbar.

CASPERS(7) führt aus, dass es deutschlandweit bisher keine von einem privaten Landnutzer betriebene Paludikultur gibt. Viel früher führen JOOSTEN & TIMMERMANN(8) Fragen auf, die deutlich machen, warum sich die Torfmooskultivierung für die Produktion eines wertvollen Ausgangsstoffes noch nicht etabliert hat: „Die Paludikultur wirft Fragen auf zur Auswahl geeigneter Sphagnum-Sippen, zu Techniken der Etablierung und Beerntung von Moorflächen, zur Optimierung der Erträge und Substratqualitäten, zu erforderlichen Flächengrößen, zur Rentabilität und zu möglichen positiven und negativen Nebenwirkungen.“ An der Beantwortung dieser Fragen arbeitet man im Rahmen verschiedener Projekte in Deutschland und anderen Ländern.

Neben dem Problem der Flächenbeschaffung für die Torfmooskultivierung ist zu bedenken, dass alle freiwachsenden Torfmoosarten in Deutschland geschützt sind und daher das potentielle Impfmaterial fehlt. Entweder müssten

  1. Torfmoose aus anderen Ländern importiert werden oder
  2. es müssten Torfmoose speziell für die Anlage solcher Paludikulturen in Torfmoos-Banken kultiviert werden oder
  3. es müssten in vitro vermehrte und zur vereinfachten Ausbringung verkapselte bzw. in Lösung gebrachte (zum Versprühen) Torfmoosteilchen als Lösungswege weiter verfolgt werden.


Diese drei Ansätze wurden und werden bereits in verschiedenen Forschungsprojekten verfolgt. Ansatz c) wird bereits kommerziell umgesetzt(9) . Wenn in den nächsten Jahrzehnten nennenswerte Mengen aus heimischer Torfmooskultivierung für die Substratproduktion zur Verfügung stehen sollen, muss neben der Eigeninitiative von Substratproduzenten und Landwirten auch die Politik mit finanziellen Förderungsprogrammen ihr eigenes Bestreben, nämlich Torf zu ersetzen, verstärkt unterstützen.

Substratmikrobiologie

Zukünftig wird ein größerer Aufwand in die mikrobielle Substratforschung investiert werden. Einige suppressive und konduktive Eigenschaften von Substratausgangsstoffen sind erforscht worden, letztendlich aber nie in ihrer Komplexität verstanden worden. Die Substratmikrobiologie und die Wechselwirkungen zwischen Substratmikrobiologie, -chemie und -physik bestehen weiterhin als Black Box. Wir werden weiter lernen müssen, die Zusammenhänge zu verstehen, um ungewollte mikrobiologisch-chemische Abläufe (z. B Stickstoff-Immobilisierung) besser im Griff zu haben und um günstige Abläufe (z. B. antipathogene Potentiale und Suppressivität) besser nutzen zu können. In Substraten vorkommende saprophytische Pilze stellen in der Regel kein Kulturproblem dar. Jedoch kommen manchmal „Pilzausbrüche“ vor, die ganze Kulturen betreffen und zu Totalausfällen führen können. Wir verstehen das Wieso und Warum nur zu einem Bruchteil. Es scheint, als ob das zunehmende Auftreten von Schimmel-, Becher- und Hutpilzen mit der zunehmenden Verwendung anderer Ausgangsstoffe einhergeht, da sie von Natur aus stärker belebt sind als Torf. Der Zusatz von biologischen Präparaten im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes liegt im Trend, bedarf aber weiterer Anstrengungen in der Forschung und Entwicklung.

Zertifizierung aller Substratausgangsstoffe

Es ist davon auszugehen, dass zukünftig praktisch alle Substratausgangsstoffe zertifiziert werden. Hier ist nicht die Zertifizierung der qualitätsrelevanten Substrateigenschaften gemeint, die bereits über die verschiedenen Qualitätssicherungssysteme Standard ist. Vielmehr sind umweltrelevante Bewertungen bei der Gewinnung und Produktion von Substratausgangsstoffen gemeint. Alle Ausgangsstoffe hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck, der sich über ihren Einfluss auf Klimawandel, Ökosystemqualität, Ressourcenverbrauch und menschliche Gesundheit bewerten lässt und eine objektivere Beurteilung von Ausgangsstoffen möglich macht als die einzelner Personen oder Anspruchsgruppen.

(1) ZIT ZENTRALE INFORMATIONSSTELLE TORF UND HUMUS (1992): Kultursubstrate im Gartenbau: Aus-gangsstoffe – Eigenschaften – Verwendung. Lehrer-Service Medienpaket. 111 S., Hannover.
(2) EU-KOMMISSION (2003): The horticulture sector in the European Union ̶ Fact Sheet. Hrsg.: EU-Kommission, Direktorat für Landwirtschaft; Brüssel.
(3) SCHMATZLER, E. (2012): Die Torfindustrie in Niedersachsen – Ergebnisse einer Umfrage zur Zukunft der Torfgewinnung in Niedersachsen. Telma 42: 27-42; Hannover.
(4) SCHNEEKLOTH, H. (1983): Die Torfindustrie in Niedersachsen. 59 S. Kommissionsverlag Göttinger Tageblatt GmbH & Co. KG; Göttingen – Hannover.
(5) SCHMILEWSKI, G. (2003): Fine-tuning growing media with additives – An introductory overview. Proc. Int. Peat Conference, Amsterdam, 4. Nov. 2003. Int. Peat Soc., Jyväskylä, Finland.
(6) GAUDIG, G., FENGLER, F., KREBS, M., PRAGER, A., SCHULZ, J., WICHMANN, S. & JOOSTEN, H. (2014): Sphagnum farming in Germany – a review of progress. Mires and Peat 13: Art. 8. [http://www.mires-and-peat.net/pages/volumes/map13/map1308.php, abgerufen am 22.07.2015.]
(7) CASPERS, G. (2015): Potenziale zur Realisierung des Natur- und Klimaschutzes in nie-dersächsischen Mooren. TELMA Beiheft 5: 159-182, Hannover.
(8) JOOSTEN, H. & TIMMERMANN, T. (1999): Torf als nachwachsender Rohstoff. Telma 29: 171-181; Hannover.
(9) MICROPROPAGATION SERVICES (EM) LTD. (2014): BeadaMoss® – family of products. Informations-faltblatt, East Leake, UK.