Tenside
Schon früh erkannte man, dass Substratbeimischungen von Sand, Ton, Steinmehl, Blähperlit, Zeolith und anderen Materialien die Gefahr der irreversiblen Schrumpfung reduzieren, indem sie das Zusammenkleben der Torfteilchen verhindern und die Benetzung des Substrats erleichtern(1) . Auch die Zugabe von Kalk und mineralischem Dünger sorgt für eine schnellere Benetzung. Heute werden vielfach Tenside zur Brechung des Benetzungswiderstandes von Substraten verwendet.Eigenschaften von Tensiden
Tenside sind niedermolekulare organische Verbindungen mit amphiphilen Eigenschaften, d. h., sie besitzen aufgrund ihres molekularen Aufbaus sowohl eine hydrophile (wasserliebende) als auch eine hydrophobe (wasserabweisende) funktionelle Gruppe(2) . Aufgrund dieses Molekülaufbaus mit wasserlöslichen und wasserunlöslichen Eigenschaften können sich Tenside in wässrigen Lösungen an der Grenzfläche von Wasser anreichern, wodurch verschiedene physikalisch-chemische Eigenschaften ausgelöst werden. Der für das Dispergieren, Emulgieren, Reinigen und Waschen, insbesondere aber für das Benetzen wichtigste Effekt ist, dass Netzmittel die Grenzflächenspannung des Wassers herabsetzen. Sie werden deshalb auch als grenzflächenaktive Substanzen bezeichnet. Der vom lateinischen ‚tensio‘ = Spannung abgeleitete Begriff ‚Tensid‘ weist auf diese Fähigkeit hin. Die im Gartenbau zur Bewässerungsregelung eingesetzten Tensiometer basieren auf der Messung der Grenzflächenspannung.
Tensid-Klassen
Tenside werden je nach Ladung der hydrophilen Molekülteile in die Klassen anionische, kationische, amphotere und nicht-ionische Netzmittel unterteilt. Nicht-ionische Tenside besitzen keine Ladungen. Stattdessen sorgen mehrere Etherbrücken dafür, dass ein Teil des Moleküls hydrophil ist(2) (3) . Sie sind chemisch weniger aktiv, aber dadurch auch weniger phytotoxisch als anionische oder kationische Netzmittel. Deshalb werden bei der industriellen Substratherstellung deutlich häufiger nicht-ionische Tenside als andere Netzmittel eingesetzt. Dennoch ist Vorsicht bei der Dosierung geboten, da bei Überdosierung und in Abhängigkeit von der aktiven Substanz phytotoxische Wirkungen nicht auszuschließen sind.Effekte von Tensiden auf die Oberflächenspannung von Substraten
Tenside werden sowohl aus biologischen Ausgangsstoffen, wie Fetten und Ölen, als auch aus petrochemischen Substanzen hergestellt. In Substraten können sie durch Mikroorganismen abgebaut werden; auch Licht trägt zum Abbau bei. Der Herabsetzung der Oberflächenspannung des Wassers nimmt daher mit der Zeit ab und der Benetzungswiderstand wieder zu. Wie schnell die einem Substrat zugesetzten Tenside abgebaut werden und wie lange somit die Wirkungsdauer im Substrat anhält, hängt somit von ihrem Molekülaufbau und der mikrobiologischen Aktivität im Substrat ab.Untersuchungen von MICHEL et al.(4) haben die in Tabelle 57 aufgeführten Daten ergeben. Die Werte zeigen, dass zur Brechung des Benetzungswiderstandes von stark zersetztem Torf mehr Tensid benötigt wird als für wenig zersetzten Torf. Der hydrophobe Charakter des Torfes nimmt also mit dem Grad der Humifizierung zu. MICHEL et al.(4) heben hervor, dass bei Kiefernrinde die Benetzung leichter erfolgt, je stärker die Rinde zersetzt ist. Der Kontaktwinkel (θ) zwischen Substrat und Wasser beeinflusst somit generell die Benetzbarkeit und Schnelligkeit der Wasseraufnahme des Substrats.
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Effekte auf das Pflanzenwachstum
Wie wichtig es ist, die empfohlene Konzentration eines Netzmittels einzuhalten, hat nachfolgend beschriebener Versuch gezeigt.Einem Torfsubstrat [100 % Weißtorf; pH 6,0 (CaCl2); 1,5 g/l Mehrnährstoffdünger] wurde in einem Substratversuch ein handelsübliches nicht-ionisches Tensid in steigenden Konzentrationen beigemischt. Die 11 Varianten wurden dunkel bei 20 ± 3 °C für maximal 12 Monate gelagert. Die Chinakohl-Aussaat erfolgte zum einen gleich nach dem Mischen, zum anderen nach einer Lagerungsdauer von 5, 9 bzw. 12 Monaten. Drei Wochen nach der jeweiligen Aussaat wurde das Frischgewicht der Testpflanze ermittelt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 33 dargestellt. Je höher die Tensid-Konzentration über der normalen Aufwandmenge lag, desto schlechter wuchs der Chinakohl. Die Ergebnisse zeigen auch, dass mit zunehmender Lagerungsdauer das Frischgewicht des Chinakohls zunimmt, die phytotoxische Wirkung des Tensids demnach abnimmt, was wiederum auf den Abbau des Tensids im Substrat während der Lagerung hinweist. Dass es bezüglich des Abbaus von Tensiden in Substraten erhebliche Unterschiede gibt, stellen REINIKAINEN & HERRANEN(5) während eines dreimonatigen Substratlagerungsversuches fest.
Dem Gärtner gibt der Zusatz von Tensiden ein gewisses Maß an Sicherheit bezüglich der schnelleren und gleichmäßigeren Substratbefeuchtung, insbesondere bei Aussaaten und der Jungpflanzenanzucht. Auch wird mit Tensiden bei trockener Kulturführung und modernen Bewässerungssystemen eine gute Wiederbenetzung und Wasseraufnahme in der Kultur sichergestellt. Bei der Wahl eines Tensids sind die Substratzusammensetzung, die Kultur und Kulturdauer sowie die Pflanzenverträglichkeit des Mittels von besonderer Bedeutung. Zudem sind die Lagerfähigkeit des behandelten Substrats und die Wirkungsdauer des Tensids nach der Lagerung und während der Kultur zu beachten.
Tenside werden üblicherweise in flüssiger, aber auch in granulierter Form angeboten. Gern werden granulierte Netzmittel eingesetzt, um eine bessere Vermischung zu gewährleisten. Der Wirkstoff granulierter Tenside haftet an einem Trägerstoff wie z. B. Blähvermiculit oder Kokos. Manche Hersteller von Tensiden empfehlen bei Langzeitkulturen die kontinuierliche Verwendung von Tensiden als Zusatz zum Gießwasser. Diese Empfehlung hat sich in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt.
(1) BRAGG, N. & MCCANN, A. (2003): The use of wetting agents in modern substrate production. Proc. Int. Peat Symp. Amsterdam 4 Nov. 2003. Int. Peat Soc., Jyväskylä.
(2) KLUMPP, E., STRUCK, B. D. & SCHWUGER, M. J. (1992): Wechselwirkungen zwischen Tensiden und Schadstoffen in Böden. Nachr. Chem. Tech. Lab. 40 (4):428-435.
(3) RÖMPP (1999): Lexikon Chemie. Band 6, T-Z; Hrsg.: Falbe, J. & Regitz, M., Thieme Verlag, Stuttgart.
(4) MICHEL, J.-C., RIVIÈRE, L.-M., BELLON-FONTAINE, M. N. & AILLERIE, C. (1997): Effects of wetting agents on the wettability of air-dried sphagnum peats. Proc. Int IPS Conf. ‚Peat in horticulture‘ 2-7 Nov., 1997, Amsterdam. Int. Peat Soc., Jyväskylä: 74-79.
(5) REINIKAINEN, O. & HERRANEN, M. (1997): The influence of wetting agent on physical properties of peat. Acta Horticulturae 450: 375-379.