Eigenschaften > biologische Eigenschaften > Mikrobielle Aktivität

Mikrobielle Aktivität

Die Mikrobiologie von Kultursubstraten (und Blumenerden) nimmt heute einen deutlich höheren Stellenwert ein als noch vor einigen Jahren. Leben ist in Kultursubstraten und Blumenerden allgegenwärtig. SCHLECHTE & SCHMILEWSKI(1) stellen fest: „Alle heute im Gartenbau eingesetzten Substrate sind in mehr oder weniger starkem Umfang von Mikroorganismen (Algen, Bakterien, Pilzen, Protozoen) besiedelt. Auch die zur Herstellung verwendeten Substratausgangsstoffe sind durchweg Träger mikrobieller Keime, wobei mineralische und synthetische Ausgangsmaterialien diese nahezu ausschließlich in der Form von kaum stoffwechselaktiven (Ruhe-)Stadien mit sich führen. Im Ergebnis wird hiermit klar belegt, dass es in einer nicht sterilen Umwelt auch keine keimfreien Kultursubstrate geben kann.“

Die Substratmikrobiologie befasst sich nach SCHMILEWSKI(2) mit dem,

  • was ein Substratausgangsstoff oder ein Substrat an biologischen Eigenschaften aufweist (autochthon vorkommende oder eingeschleppte Organismen),
  • was dem Substrat gezielt zugegeben werden kann, um die mikrobiologischen Eigenschaften zu verbessern (z. B. mikrobiologische Präparate, bestimmte Ausgangsstoffe), und mit
  • der Behandlung von Ausgangsstoffen (z. B. Dämpfen von Torf oder Gammabestrahlung von importierten Torfmoosen), um bestimmte Eigenschaften (z. B. Freiheit von Unkräutern und Pathogenen) zu gewährleisten.
Je nach Ausgangsstoff kann der Grad der mikrobiellen Belebung sehr hoch (z. B. Kompost, Rindenhumus, Kokosmark), gering (z. B. Torf) oder sehr niedrig sein (z. B. Blähperlit, Blähton). Im Herstellungsprozess durch Erhitzung erzeugte Stoffe wie Blähperlit, Blähvermiculit oder Mineralwolle sind zwar unmittelbar nach der Herstellung unbelebt, werden aber spätestens bei der Verwendung mit Mikroorganismen belebt. Festzustellen ist auch, dass sich die Zusammensetzung der Mikroflora- und -fauna eines Substrats stetig ändert, was von allen das Leben im Substrat beeinflussenden Umweltbedingungen abhängig ist. Demnach haben Licht, Wärme, Feuchtigkeitsgehalt, pH-Wert, Salzgehalt, Nährstoffgehalt, die organische Substanz, physikalische Eigenschaften, Hygiene, Pflanzenschutzmaßnahmen und andere Faktoren ihren jeweiligen Einfluss auf die Mikrobiologie des Substrats. Die Wechselwirkungen der Mikrobiologie mit der Substratchemie und Substratphysik sind vielfach noch unbekannt und die Black Box in der Substratforschung.

Mikroorganismen und Produkthaftung


Die European Peat and Growing Media Association (EPAGMA) hat die oben beschriebenen mikrobiellen Gegebenheiten in Substraten in den Internationalen Verkaufsbedingungen(3) ihrer Mitglieder berücksichtigt und die zwei nachfolgenden Textpassagen vereinbart, die so oder in anderem Wortlaut von den Mitgliedsfirmen der EPAGMA in ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden können.

1. „Unsere Kultursubstrate, insbesondere die organischen Substrate, sind frei von human- oder phytopathogenen Mikroorganismen. Sie sind jedoch nicht steril, sondern mikrobiell belebt. Mikroorganismen können autochthon sein oder während der Lagerung oder der Pflanzenkultur in Abhängigkeit der Jahreszeit und der Kulturbedingungen Substrate besiedeln. Der weitaus größte Teil aller Kultursubstrate enthält hohe Anteile organischer Substanz, die zwangsläufig der mikrobiellen Zersetzung durch Pilze, Bakterien und andere Organismen ausgesetzt ist. Saprophytische Nematoden sind in geringer Anzahl in Substraten vorhanden. Das Aufdüngen der Kultursubstrate für das Pflanzenwachstum fördert ferner das Wachstum von saprophytischen Organismen. Das Vorhandensein saprophytischer Organismen und deren Folgen, wie z. B. Verpilzung, stellen daher keinen Produktmangel dar.“

2. „Wir übernehmen keine Haftung für Sach- und Vermögensschäden, die durch eine Besiedlung von ubiquitären Mikroorganismen sowie von einem ubiquitären Vorkommen saprophytischer Organismen verursacht werden, wie z. B. durch eine Verpilzung des Substrats. Dieser Haftungsausschluss gilt nicht für den Fall, dass die Substrate bei Gefahrübergang anthropogen mit einer unnatürlich bzw. untypisch hohen Anzahl saprophytischer Organismen oder Mikroorganismen verunreinigt sind und wir bzw. unsere Vertreter oder unsere Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen diese anthropogene Verunreinigung vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben.“

Saprophytische Mikroorganismen

Saprophyten sind keine Krankheitserreger. Sie betreiben weder Photo- noch Chemosynthese; ihr natürliches Habitat ist tote organische Substanz, wo sie sich ausschließlich heterotroph, also von toter Materie ernähren(4) . Sie bauen energiereiche Stoffe ab und wandeln diese in anorganische Stoffe um, die wiederum von Pflanzen aufgenommen werden können.

Saprophytische Pilze (Substratpilze)


Saprophytische Pilze ernähren sich ausschließlich von abgestorbener organischer Substanz und beziehen so die für ihr Wachstum benötigten Kohlenstoffverbindungen. Substratpilze zeigen manchmal starkes Wachstum in Form von lockeren Myzelgespinsten, stark stäubenden Sporenlagern, kugel- bis becherförmigen Fortpflanzungsorganen oder Fruchtkörpern, gegliedert in Stiel und Hut(1) . Dieselben Autoren ordnen saprophytischen Pilzen folgende Beeinträchtigungen des Substrats, des Pflanzenwachstums oder der Gesundheit zu, die aber nicht immer und nicht bei allen Verpilzungen auftreten:
  1. Festlegung von Nährstoffen (insbesondere Stickstoff) in der pilzlichen Biomasse;
  2. Bindung von Wasser und Entfaltung einer wassersperrenden Wirkung durch ausgedehnte hydrophobe Myzelnester
  3. Behinderung des Luftaustausches durch oberflächlich ausgebreitete Myzellager;
  4. Minderung der Strukturstabilität (Verdichtung) von Substratkomponenten infolge des Abbaus pflanzlicher Gerüstsubstanzen wie Cellulose oder Lignin;
  5. Freisetzung potentiell pflanzentoxischer Verbindungen;
  6. Initiierung von Selbsterwärmungsprozessen im Rohstoff- bzw. Substratlager mit nachhaltiger Einflussnahme auf zahlreiche wertbestimmende Eigenschaften;
  7. Erhöhung des Allergierisikos durch z. B. beim Gießen verstärkt freigesetzte Sporenwolken
  8. Herabsetzung der Verkaufsqualität der produzierten Pflanzen aufgrund sichtbarer Myzelgeflechte und anderer pilzlicher Strukturen;
  9. und im Ausnahmefall: Ausbildung ansehnlicher Pilzfruchtkörper mit giftigen Inhaltsstoffen, die speziell für Kinder gefährlich werden können.
Etwa 3 cm in das Substrat eingedrungenes Myzelgeflecht eines Basidiomyceten mit auffälliger wassersperrender Wirkung (© H. Limbers)Vergrößerte Darstellung von: Etwa 3 cm in das Substrat eingedrungenes Myzelgeflecht eines Basidiomyceten mit auffälliger wassersperrender Wirkung (© H. Limbers)


Chromelosporium fulvum: Verbreitung der Konidiosporen durch Gießen (© G. Schmilewski)Vergrößerte Darstellung von: Chromelosporium fulvum: Verbreitung der Konidiosporen durch Gießen (© G. Schmilewski)


Die in Kultursubstraten und Blumenerden am häufigsten auftretenden Substratpilze sind:

  • Peziza ostracoderma (mit seinem Schimmelstadium Chromelosporium fulvum) = Torf-Becherling;
  • Athelia turficola = Torfhäutchenpilz;
  • Leucocoprinus birnbaumii = Gelber Faltenschirmling;
  • verschiedene Trichoderma-Arten (ohne deutschen Namen)
Sichtbare Substratverpilzungen kommen nicht zwangsläufig vor, auch wenn der Pilz im Substrat über labortechnische Untersuchungen nachgewiesen wird. LOHR et al.(5) weisen darauf hin, dass Ergosterin als Indikator für die Bestimmung der Biomasse von Pilzmyzel dienen kann. Dieses Mycosterin kommt in der Zellmembran von Pilzen vor. Aus der Ergosterin-Bestimmung können allerdings keine vorbeugenden oder kurativen Maßnahmen abgeleitet werden. LOHR et al.(6) führen aus, dass mithilfe der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) die hydrolysierbaren C-Anteile in Substraten verlässlich analysiert werden können. Da die biologische Abbaubarkeit von Kohlenstoff eine Kenngröße für den möglichen Befall von saprophytischen Pilzen ist, leiten die Autoren das potentielle Verpilzungsrisiko hiervon ab: Je höher der Anteil hydrolysierbarer C-Anteile, desto höher das Verpilzungsrisiko durch P. ostracoderma und andere saprophytische Pilze.

Meistens sind äußere Bedingungen bei der Substratlagerung oder Kulturbedingungen für einen sichtbaren Ausbruch bestimmend. So können die Substratzusammensetzung, Feuchtigkeitsbedingungen, Temperatur, Nährstoffgehalte, Verpackungsart, Lagerungsdauer sowie Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren, die derzeit nicht eindeutig zu erklären sind, den Ausschlag für eine Substratverpilzung geben. Diese ganzheitlich zum Zweck der Vermeidung von Verpilzungen zu beeinflussen, ist nicht möglich. Durch umfassende Betriebshygiene und möglichst optimale Lagerungsbedingungen kann jedoch die Ansiedlung, Verbreitung und Überdauerung von Substratpilzen eingedämmt werden.

Saprophytische Nematoden


Nematoden (Fadenwürmer oder Älchen) sind eine der zahlreichsten Gruppen im Tierreich. Die meisten Nematodenarten schädigen Kulturpflanzen nicht und sind nützlich, da sie sich von anderen Organismen oder organischer Substanz ernähren, sie werden überbegrifflich als freilebende Saprophyten bezeichnet. Sie ernähren sich vornehmlich von Bakterien, Pilzen und Algen, die sie mit der sich zersetzenden organischen Substanz aufnehmen. Entsprechend ihren Nahrungsquellen können sie in fünf Gruppen unterteilt werden(7) : Predatoren (fressen andere Nematoden, Protazoa, andere Kleinlebewesen), Omnivoren (fressen meist andere Kleinlebewesen), Mykophagen (stechen Zellwände von Pilzen an und saugen das Innere aus), Bakteriophagen (fressen Bakterien) und Phytophagen (stechen Zellwände von Wurzeln oder anderen Pflanzenteilen an und schädigen die Pflanze).

Die wichtigste Bedingung für die Entwicklung aller Nematoden ist Feuchtigkeit. Organische Ausgangsstoffe und Substrate, die in der Regel immer feucht sind, sind geeignete Lebensräume für Älchen. Bei anhaltender Substrattrockenheit gehen sie in ein Ruhestadium, aus dem sie bei wiederkehrender Feuchtigkeit erwachen.

Von den Tausenden von Nematodenarten konnten nur 43 Arten ausschließlich in Mooren nachgewiesen werden(8) . Die Autoren betonen: „Es fehlen Schadnematoden, die Pflanzenteile anstechen.“ (Sie haben keinen Mundstachel.) Im Vergleich zu Ackerböden enthalten natürliche Moorböden deutlich weniger Nematoden, was durch das Milieu des Moores bedingt ist. Es handelt sich dabei ausschließlich um Saprophyten.

Saprophytische Nematoden können in mehr oder weniger großer Anzahl in allen organischen Substraten und Ausgangsstoffen vorkommen. Belebte Stoffe wie Kompost oder Rindenhumus bieten beste Lebensbedingungen für saprophytische Nematoden. Aber auch jeder verarbeitete Torf kann saprophytische Nematoden enthalten. Wichtig ist die Unterscheidung zu Schadnematoden, die selten in Substraten nachgewiesen werden.


(1) SCHLECHTE, G. B. & SCHMILEWSKI, G. K. (2010): Saprophytische Pilze in Kultursubstraten. Ringordner mit Lieferung 1. Erschienen im Selbstverlag.
(2) SCHMILEWSKI, G. (1999): Substrat-Mikrobiologie – Was ist das? Deutscher Gartenbau 50: 26-29.
(3) EPAGMA EUROPEAN PEAT AND GROWING MEDIA ASSOCIATION (2006): International sales conditions of….. Inc. for use in international business operations.
(4) KAYSER, F. H., BÖTTGER, E.C., ZINKERNAGEL, R. M., HALLER, O., ECKERT, J. & DEPLAZES, P. (2010): Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie. 12. Auflage; 774 S. Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
(5) LOHR, D., WÖCK, C. & MEINKEN, E. (2015): Use of ergosterol as an indicator for colonization of peat based growing media by saprophytic fungi. Poster auf dem ISHS/IPS Symposium SusGro, Wien, 7-11. Okt. 2015.
(6) LOHR, D., WÖCK, C., VON TUCHER, S. & MEINKEN, E. (2015): Analysing carbon fraction of growing media by near-infrared spectroscopy. Poster auf dem ISHS/IPS Symposium SusGro, Wien, 7-11. Okt. 2015.
(7) INGHAM, E. R. (2000): The living soil: nematodes. In: Tugel, A., Lewandowski, A. & Happe von Arb, D. (Hrsg.): Soil biology Primer. Rev. Ed Ankeny, Soil and Science Conservation Society, Iowa.
(8) BURMESTER, E. G. (1990): Die Tierwelt der Moore (speziell der Hochmoore). In: Göttlich, K. (Hrsg.): Moor- und Torfkunde, S. 29-49. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele und Obermiller), Stuttgart.